26. April 2022

Ein Mann der klaren Worte – Michael Gipser

Lesezeit: 5 Minuten

Landesinnungsmeister Michael Gipser erhält die höchste Auszeichnung der Handwerkskammer Halle (Saale), den Ehrenring.

Als das „Urgestein des Glaserhandwerks“, Landesinnungsmeister Michael Gipser, im Rahmen der letzten Vollversammlung „seiner“ Handwerkskammer Halle, ein letztes Mal den Weg zum Rednerpult in dem erlauchten Kreis antrat, war jedem klar: Hier geht ein Stück Handwerksgeschichte von Bord.

Gipser-Michael
Michael Gipser, Landesinnungsmeister Bundesinnungsverband des Glaserhandwerks

Nach 31 Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit in der Handwerkskammer Halle (Saale), war es für den erfolgreichen Geschäftsmann Gipser an der Zeit, Lebewohl zu sagen. Gipser: „Ich weiß noch ganz genau, wo ich gesessen habe, als ich im Mai 1990 zur Handwerkskonferenz im damaligen Klubhaus der Gewerkschaften gegangen bin. Das ist mittlerweile 31 Jahre her und fand im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands statt. Jetzt ist es an der Zeit, für die kommenden Generationen Platz zu machen, damit sie sich mit ihren Ideen und Visionen einbringen können.“ Für Handwerkskammerpräsident Thomas Keindorf stellt Michael Gipser ein Urgestein deutscher Handwerksgeschichte dar, der auch maßgeblich seine Handwerkskammer Halle mitgeprägt hat.

Keindorf: „Du selbst hast einmal erzählt, dass du im Mai 1990 im blauen Kittel zur Handwerkskonferenz im damaligen Klubhaus der Gewerkschaften gegangen bist. Das war nach unserer Zählung die erste Vollversammlung der Handwerkskammer nach ihrer Neugründung.

Seitdem warst du in verschiedenen Ämtern der Kammer über 60 Mal dabei, als Beschlüsse gefasst wurden. Als streitbarer Handwerksmeister hast du in den Debatten des Hauses nie ein Blatt vor den Mund genommen, wenn es um die Belange unseres Berufsstandes ging. Vor zwei Legislaturperioden haben dir die Delegierten ihr Vertrauen ausgesprochen und dich nicht nur in den Vorstand, in dem du schon zehn Jahre zuvor warst, sondern auch in das Präsidium gewählt, dem du zuletzt über drei Legislaturperioden als Vizepräsident angehört hast.“

Eine ehrenamtliche Zeitspanne, die dem halleschen Glasermeister so schnell keiner nachmacht.

„VOR KURZEM MEINTE JEMAND ZU MIR, ICH WÄRE DER AM LÄNGSTEN IM EHRENAMT DES REGIONALEN HANDWERKS TÄTIGE. SOLLTE DAS TATSÄCHLICH SO SEIN, DANN BIN ICH SEHR STOLZ DARAUF. SICHERLICH WAR ICH NICHT IMMER DER BEQUEMSTE MITSTREITER GEWESEN, ABER EINER MIT EHRLICHEN WORTEN.“

Michael Gipser

Ein „Markenzeichen“, das ihn auch in anderen Ehrenämtern – und von denen hatte er viele inne – auszeichnete. Als streitbarer Handwerksmeister hat er auch nie ein Blatt vor den Mund genommen, wenn es um die Belange seines Berufsstandes ging. Michael Gipser war stets ein Mann der klaren Worte, der sagte, was er dachte. Solche „Großen“ findet man heute nur noch selten, schon gar nicht auf der politischen Bühne.

„Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom“, so Gipser und der Glasermeister konnte sich zeit seines Lebens nicht vorstellen, mit dem Strom zu schwimmen. Vielleicht auch geprägt durch seine schweren DDR-Zeiten.

Und die waren gewiss nicht immer frei von Schwierigkeiten und Sorgen. Sie brachten aber auch immer wieder neue Ideen auf den Weg für eine bessere Zukunft. Bereits der Großvater führte seit 1928 eine Glaserei in Halle (Saale), ehe 1948 sein Vater und Großvater eine weitere Glaserei und Fensterbaufirma gründeten.

Als man seinem Vater und einem Tischlermeister – beide damals Obermeister – mitteilte, dass aus volkswirtschaftlichen und politischen Gründen beide Firmen ab 01.01.1975 in einen volkseigenen Betrieb umgewandelt werden, starb der Vater 10 Minuten später, mit nur 56 Jahren. Diesen Schock, so Gipser, hat mein Vater nicht überlebt. Er erinnerte sich auch an den ersten und zugleich letzten halleschen Glasertag in der DDR, der vier Jahre vor dem Bau der Mauer stattfand. Gipser: „Da gab es noch persönliche Kontakte mit Kollegen aus Westdeutschland. Diese Kontakte rissen niemals ab. Man hat immer versucht, fachliche und menschliche Kontakte zu knüpfen.

Die Treffen waren immer von den Halleschen – und Leipziger-Glaserkollegen gut organisiert und besucht und sie fanden ausschließlich zu den Zeiten der Frühjahrs- und Herbstmesse in Leipzig statt. 1990 bin ich dann aus voller Überzeugung der Organisation des Glaserhandwerks beigetreten.“ Sicherlich spielte da auch mein Vater eine „gewisse“ Rolle, wenn ich in diesem Zusammenhang an den 17. Juni 1953 denke. Damals war er einige Zeit nicht zu Hause, aber nicht etwa wegen Diebstahl oder ähnlichem, sondern weil er sich für Demokratie und Traditionspflege für das gesamte Handwerk eingesetzt hatte, weiß der zukünftige Träger des Ehrenringes dann auch aus seiner Vergangenheit zu berichten.

Am 01.03.1991 gründete er dann mit anderen Glaserkollegen in Halle (Saale) den Landesinnungsverband des Glaserhandwerks Sachsen-Anhalt, dem der Glasermeister als Landesinnungsmeister bis heute vorsteht. Doch das Amt als Landesinnungsmeister sollte nicht das einzige Ehrenamt im Glaserhandwerk bleiben. 1999 erfolgte die Wahl in das Amt als stellv. Bundesinnungsmeister, was er 18 Jahre lang begleitete. Am 20. Mai 2006 wurde der umtriebige „Hallenser“ mit der goldenen Ehrennadel des Glaserhandwerks für seine außerordentlichen Verdienste um sein Handwerk ausgezeichnet.

CG-MG
Michael Gipser mit Sohn Christian

Doch wer jetzt glaubt, dass dies schon alle Ehrenämter waren, die der Glasermeister über Jahrzehnte begleitete, der hat weit gefehlt. Neben dem Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Halle-Saalekreis, war Gipser auch noch als Obermeister der Glaserinnung Halle unterwegs. Dabei verlor er nie die Jugend aus dem Auge. So hat der einst aktive Hallenser Fußballer auch besonders intensiv ehrenamtliche Jugendarbeit betrieben. Im Dezember 2009 wurde ihm vom damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler nicht nur dafür das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

Man könnte jetzt meinen, so ein „Multifunktionär“ ist mit seinen ehrenamtlichen Tätigkeiten voll ausgelastet. Nicht so Michael Gipser: „Nebenbei“ hat er noch einen eindrucksvollen Handwerksbetrieb aufgebaut und äußerst erfolgreich gemanagt. Derzeit beschäftigt das Unternehmen „Glasbau Gipser GmbH“ über 70 Mitarbeiter. Die Mehrzahl von ihnen ausschließlich Facharbeiter des Glaser-, Metall- und Tischlerhandwerks.

Darüber hinaus werden auch regelmäßig Lehrlinge ausgebildet. Mit den langjährigen, sehr gut ausgebildeten und motivierten Mitarbeitern im „technischen Büro“, in der Projektplanung und -abwicklung sowie in der Fertigung und Montage werden unterschiedlichste Projekte im Bereich Glas- und Metallbau realisiert – ob in Südafrika oder beim Reichstagsneubau. Alle Aufträge wurden immer stets pünktlich und zur Zufriedenheit der Bauherren realisiert. Das Unternehmen, das heute über ca. 13.000 m2 Betriebsgelände verfügt und sich in 2 Betriebsteile aufteilt, hatte sich damals als familiärer Handwerksbetrieb über die Verstaatlichung durch DDR-Ministerien hinweg retten können. Heute ist im Betrieb Glasbau Gipser längst die nächste Generation mit Sohn Christian vertreten.

Mit Michael Gipser ging 2018 in der Handwerkskammer Halle (Saale) nicht nur ein Zeitzeuge des Glaserhandwerks von Bord des Bundesinnungsverbandes, sondern auch eine Persönlichkeit, die in der Vergangenheit den Bundesinnungsverband wesentlich mitgeprägt hat. 3 Jahre später wiederholt sich die „Geschichte“ am selben Ort, nur nicht im Glaserhandwerk, sondern auf der Bühne der Kammerlandschaft. Kammerpräsident Thomas Keindorf: „Wir haben lange überlegt, wie wir dir, lieber Michael, für dein langjähriges Engagement danken können. Glücklicherweise sieht die Ehrenordnung unserer Handwerkskammer eine besondere Ehrung vor, die ausgesprochen selten vergeben wird. Ich selbst durfte in 20 Jahren erst zwei Mal erleben, dass wir eine Persönlichkeit mit dieser Ehrung auszeichnen durften, den Ehrenring unsere Handwerkskammer. Der Ehrenring wird an Persönlichkeiten verliehen, die sich in besonders hervorragender Weise um das Handwerk verdient gemacht haben. Er wird für jeden Träger individuell gefertigt. Der Ehrenring wird an höchstens fünf lebende Personen verliehen. Derzeit ist Prof. Wolfgang Böhmer der einzige lebende Träger des Ehrenringes. Ab heute gibt es einen zweiten. Trage ihn voller Stolz.“

Das Urgestein des Glaserhandwerks ist jetzt auch von Bord der Handwerkskammer Halle (Saale) gegangen. Was mit ihm bleibt, ist aber ein generationsübergreifendes, familiäres Handwerksleben und ein gut aufgestellter Handwerksbetrieb im Kammerbezirk der HWK Halle (Saale).

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