Die Vollkostenrechnung ist ein wichtiger Baustein zur langfristigen Sicherung des Unternehmens. Sie ist die Basis für eine realistische Kalkulation der betrieblichen Leistungen – und kann dabei sowohl im Rahmen der Angebotserstellung (als Vorkalkulation) als auch bei der kritischen Betrachtung der ausgeführten Aufträge (als Nachkalkulation und kurzfristige Erfolgsrechnung) eingesetzt werden. Die einzelnen Schritte der Vollkostenrechnung werden unten in ihren Grundzügen kurz vorgestellt (Abb. 1 & 2).
1. Kostenartenrechnung: Welche Kosten sind entstanden?
In der Kostenartenrechnung wird das benötigte Zahlenmaterial für alle späteren Berechnungen aufbereitet. Die dafür notwendige Datengrundlage stammt aus der Finanzbuchhaltung des Betriebes. Von dort werden die meisten Werte übernommen, doch es gibt hier wichtige Ausnahmen.
So werden in der Vollkostenrechnung alle einmaligen oder außergewöhnlichen Tatbestände nicht berücksichtigt. Das Rechnungswesen nennt diese besonderen Einflussgrößen „Neutrale Aufwendungen“ und „Neutrale Erträge“. Diese Beträge werden regelmäßig beim Übertrag aus der Bilanzbuchhaltung in die Vollkostenrechnung entfernt, da sie jede Kalkulation verzerren würden.
Wenn eine alte Maschine zu einem guten Preis (über dem Buchwert) verkauft wird, führt dies in der Finanzbuchhaltung zu einem außerordentlichen Ertrag, für den sich zwar das Finanzamt brennend interessiert, der aber für die Ermittlung des Betriebsergebnisses keine Rolle spielen darf.
Daneben gibt es einige Positionen, die aus der Sicht der Vollkostenrechnung anders bewertet werden als in der Bilanzbuchhaltung. So wird beispielsweise das betriebliche Vermögen nach den Regeln des Finanzamtes abgeschrieben.
Im Rechnungswesen wird auf diese Weise der jeweilige Restbuchwert ermittelt und der verbliebene Zeitwert danach als Vermögen bilanziert. Die Kostenrechnung geht anders vor.
Ein Fahrzeug, das in der Finanzbuchhaltung über sechs Jahre abgeschrieben, aber im Betrieb sieben Jahre lang genutzt wird, würde die Vollkostenrechnung nicht über sechs, sondern über sieben Jahre abschreiben. Die Kosten würden sich in diesem Falle also über die tatsächliche Nutzungsdauer verteilen – und somit (pro Jahr) etwas geringer ausfallen. Die Selbstkosten des Unternehmens sinken dadurch und die Angebotspreise werden für die Kunden attraktiver bzw. konkurrenzfähiger.
Nach der Aufbereitung des betrieblichen Zahlenmaterials werden die verbliebenen Kosten in „Einzelkosten“ und „Gemeinkosten“ aufgeteilt:
- Einzelkosten: Kosten, die sich direkt einem einzelnen Auftrag zuordnen lassen (z. B. Rohstoffe, Bauteile oder Stundenlöhne).
- Gemeinkosten: Kosten für den allgemeinen Betrieb (z. B. Miete, Zinsen, Abschreibungen oder Energiekosten).
Die Einzelkosten können direkt in die Kostenträgerrechnung (z. B. Angebotskalkulation) überführt werden. Dies ist bei den Gemeinkosten nicht möglich. Diese allgemeinen Kosten des Betriebes sollen jedoch ebenfalls durch die einzelnen Aufträge anteilig (mit-)getragen werden. Hierzu werden die Gemeinkosten zunächst im Rahmen der Kostenstellenrechnung gesondert aufbereitet.
2. Kostenstellenrechnung: Wo sind die Kosten entstanden? Die Gemeinkosten werden in der Kostenstellenrechnung
Die Gemeinkosten werden in der Kostenstellenrechnung entsprechend dem Ort ihrer Entstehung verteilt. Die Bildung der Kostenstellen kann hier eine Hürde darstellen. Die Einteilung der Kostenstellen sollte übersichtlich sein, damit sich die einzelnen Kostenarten einfach den einzelnen Stellen zuordnen lassen. Vereinfacht gilt die Regel:
„So grob, wie möglich und so detailliert, wie nötig.“ (Zu viele Kostenstellen verbessern nicht das Bild.) Gleichzeitig sollte jede Kostenstelle den betrieblichen Strukturen entsprechen. Sobald mehrere Mitarbeiter eine einzelne Kostenstelle führen, ist letztendlich niemand dafür verantwortlich.
Jede Kostenart wird im ersten Schritt auf die einzelnen Kostenstellen verteilt (z. B. die Miete oder die Abschreibungen für das Gebäude anhand der jeweils bewirtschafteten Fläche). Dabei werden alle Kostenarten, die sich nicht direkt einer Hauptkostenstelle zuordnen lassen, zunächst in Hilfskostenstellen gesammelt (z. B. Raumkosten und Energiekosten).
Diese werden im nächsten Schritt auf die Hauptkostenstellen mit einfachen Verteilungsschlüsseln umgelegt.
Abschließend werden die Kalkulationssätze für die Berücksichtigung der Gemeinkosten berechnet. So wird sichergestellt, dass einem einzelnen Kundenauftrag nur die tatsächlich verursachten Kosten zugerechnet werden.
Ein reiner Montageauftrag (z. B. Wechsel eines Rolladenbandes) würde dann mit den Zuschlagssätzen der Hauptkostenstelle „Montage“ und nicht auch noch mit den Abschreibungen aller im Betrieb befindlichen Maschinen belastet (Hauptkostenstelle „Fertigung“ oder „Maschinenraum“).
3. Kostenträgerrechnung: Wofür sind die Kosten entstanden?
Im Rahmen der Kalkulation eines Auftrages werden die verursachten Einzelkosten (z. B. Stundenlöhne) und die anteiligen Gemeinkosten zu einem Kostenträger zusammengeführt und die Selbstkosten des Auftrages berechnet. Dies kann in der Praxis auf unterschiedlichen Wegen geschehen. Die beiden gängigsten Verfahren werden oben anhand eines Beispiels kurz vorgestellt.
a) Kalkulation des Auftrags als summarische Zuschlagskalkulation
Die einfache Form der Kalkulation berechnet den Zuschlagssatz für die entstandenen Gemeinkosten ohne eine Kostenstellenrechnung. Hier wird aus der Gesamtsumme aller Gemeinkosten ein allgemeiner (grober) Zuschlagssatz auf der Basis der Stundenlöhne berechnet:
b) Kalkulation des Auftrags als differenzierte Zuschlagskalkulation
Die differenzierte Zuschlagskalkulation benötigt die Zuschlagssätze der Kostenstellenrechnung für die verursachungsgerechte Zuordnung der Gemeinkosten auf die einzelnen Positionen des Auftrages.
Im dargestellten Beispiel würde der gleiche Auftrag summarisch zu einem Brutto-Verkaufspreis von 5.502,74 € und differenziert zu einem Brutto-Verkaufspreis von 6.823,40 € führen. Der Unterschied ergibt sich hierbei aus der ungenaueren Abbildung der tatsächlichen Kostenstruktur des Betriebes durch nur einen einzigen Gemeinkostenzuschlag beim summarischen Verfahren. Die Unterdeckung der entstandenen Kosten könnte im Beispiel auch durch den eingerechneten Gewinnzuschlag nicht mehr aufgefangen werden – und sich dann negativ auf das Betriebsergebnis auswirken.
Dies ist einer der Gründe, warum sich immer mehr Betriebe für die differenzierte Form der Kalkulation entscheiden.