Neue Methoden verändern das tägliche Leben – schon immer. Während sie früher analog waren (Gegensprechanlage, Verbrennungsmotor, Versandkatalog etc.) sind es heute überwiegend digital unterstützte Methoden (Computer, Roboter, Sensorik etc.). Eines haben sie gemeinsam: Sie sollen das Leben vereinfachen!
Abb. 1 zeigt, wie digitale Hilfsmittel mit neuen Methoden das tägliche Leben verändert haben. Während früher Informationen durch direkte Gespräche oder mit dem Schnurtelefon verbreitet wurden, werden heute Handyfotos, Sprachnachrichten und Videos in großer Zahl in Echtzeit verschickt und im gleichen Moment millionenfach geteilt.
Im Folgenden wird anhand von Beispielen für das Glaserhandwerk gezeigt, wo solche neuen Methoden auftauchen, wie groß deren Bedeutung ist und wie sie eine positive Perspektive darstellen. Aber auch, warum das Handwerk weiterhin das Handwerk bleibt und trotzdem neue Methoden gefunden werden müssen.
Der Wandel in der Bauzeichnung
Früher wurden technische Zeichnungen vornehmlich mit Hilfe von Bleistift und Tuschestift, Freihandzeichnungen, Zeichenbrett, Kurvenlinealen und Schriftschablonen erstellt. Mittlerweile wird mit computerunterstützten Zeichenmethoden (CAD) gearbeitet. Das technische Detail – der Fenster, Türen, Spiegel, Duschen usw. – bleibt grundsätzlich das Gleiche – aber mit mehr Möglichkeiten in der Darstellung und einer schnelleren Bearbeitung und Fehlerkorrektur. Dank des technischen Fortschritts besteht die Möglichkeit 3D-CAD-Systeme zur Planung oder einfache Applikationen zum Aufmaß zu nutzen und so ganz einfach eine 3D-Planung oder sogenannte Bauwerksdaten- Modelle zu erhalten, die von allen Beteiligten im gesamten Lebenszyklus genutzt werden können.
Planung
Gerade bei etwas größeren Projekten ist es wichtig, dass die Planung immer aktuell allen Partnern zur Verfügung steht. Früher wurden gezeichnete Papierpläne mit der Post oder vom Boten zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Auto transportiert. Als das Faxgerät auf den Markt kam, konnten Planausschnitte versendet werden. Mit dem Computer änderte sich alles. Die Pläne können jetzt digital als Dateien abgespeichert und ausgetauscht werden. Ein Server oder die Cloud dienen als Austauschplattform. Der Wandel geht weiter, so dass in zentralen Datenmodellen geplant und sogar gemeinsam gearbeitet wird.
Kommunikation
Damit die Arbeiten auf der Baustelle reibungslos ablaufen, muss der Austausch von Informationen beim Kunden, im Büro und zwischen diesen beiden funktionieren und immer aktuell sein. Stellen wir uns vor: Beim Kunden stellen Sie fest, dass die Stabistange einen Kratzer hat und im Büro ist keiner zu erreichen – kein Problem, einfach direkt vom Kunden aus einen „Blick“ in die Warenwirtschaft werfen und schon kann der Kunde zufriedenstellend bedient werden. Früher wurde oft verzweifelt der Kollege im Büro mit dem Festnetztelefon versucht zu erreichen – heute fast unvorstellbar. Das Smartphone mit den unterschiedlichen Messenger-Diensten oder dem permanenten Zugriff auf Emails ermöglicht heute eine Erreichbarkeit rund um die Uhr. Ein weiterer Schritt ist gerade bei größeren Projekten: Bauwerksdatenmodelle, in denen alle Projektbeteiligten auf einer Plattform in Echtzeit kommunizieren.
Logistik
Entwickelt hat sich die Logistik schon vor langer Zeit, weil es wichtig ist, z. B. Materialflüsse zu koordinieren. Seitdem hat sie sich allerdings deutlich gewandelt. Es geht um die Bereitstellung von Materialien und Geräten. Eine durchdachte Planung, die mitlaufende Steuerung und Kontrolle, also der Weg von der Bestellung bis zum Ausführenden, ist entscheidend. Früher haben Unternehmen meist zentral bestellt. Das Lager war möglichst voll und damit viel Kapital im Lager gebunden. Digital und automatisiert wird heute in der Lieferkette gearbeitet. Eine abgestimmte Planung und transparente Abläufe sorgen dafür, dass just-in-time gearbeitet wird, also dann, wenn die Arbeit tatsächlich ansteht.
Digitale Techniken können hier immer mehr Aufgaben übernehmen. Baustoffe und Verbrauchsmaterialien sind z. B. mit Sensoren verknüpft. So ist bekannt, wann und von wem diese in welcher Menge verbaut wurden bzw. werden sollen und somit bestellt werden müssen. Nachbestellungen erfolgen automatisch.
Das digitale Bestellwesen bedeutet eine enorme Kostenersparnis, da die Fehlerund Reklamationsquote deutlich gesenkt werden kann. Dies hat zur Folge, dass Betriebe zu A-Kunden bei Lieferanten gehören und Materialkosten um 10 Prozent reduziert werden. Lagerflächen und -kosten können eingespart werden.
Geräte und Werkzeuge werden nicht mehr gesucht und stehen zur Verfügung, wenn sie benötigt werden, denn der Mitarbeitende kann diese reservieren und ausleihen. So ist bekannt, in wessen Obhut sich die Geräte und Werkzeuge befinden, auch können sie ganz leicht per GPS geortet werden.
Bedeutung und Perspektive für das Handwerk
Schauen wir uns doch mal die vier Bereiche an und betrachten, wie sich digitale Unterstützung auswirkt bzw. welche Perspektiven sich ableiten lassen.
Nachwuchskräfte
Moderne, zeitgemäße und digital unterstützte Arbeitsmittel bieten jungen Menschen Herausforderungen und Freiräume. Sie sind vielseitig und variabel. Gerade Personen, die mit der Nutzung des Internets aufgewachsen sind, verwenden dieses Medium wie selbstverständlich. Sie möchten auf einen Blick erkennen, was ein Betrieb für sie zu bieten hat. Das kann gerade in Zeiten von Fach- und Nachwuchskräftemangel für den entscheidenden Kick sorgen und für die Betriebe neue Ideen und Innovationen mit sich bringen. Neue Methoden und Technologien drängen immer schneller mit neuen Features auf den Markt. Wenn Ihr Unternehmen solche neuen Methoden bei der täglichen Arbeit im Büro und beim Kunden einsetzt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich junge Bewerbende bei Ihnen melden. Natürlich müssen die Methoden auch zum Unternehmen passen. Mitarbeitende können aber auch durch die Nutzung einer guten Ausstattung, wie Tablet oder Smartphone, motiviert werden. Zudem erhalten sie damit viele Möglichkeiten, die Kundschaft umfassend und innovativ zu beraten, da sie alle wichtigen Informationen von überall abrufen können.
Kundschaft
Ihre Kundschaft wird immer anspruchsvoller. Aus anderen Bereichen bekannte Applikationen sorgen dafür, dass laufend neue Wünsche und Bedürfnisse geweckt werden und Kundenansprüche steigen. Aber nicht nur die Kundschaft, auch der Betrieb profitiert von dieser Entwicklung.
Eine Kundendatenbank steigert die Kundenzufriedenheit und -bindung. Private Kundschaft hat nicht regelmäßig einen Auftrag. Umso schöner, wenn der Betrieb trotzdem alle Informationen der letzten Aufträge bei einem erneuten Kontakt sofort zur Hand hat und auf eine persönliche Gesprächsebene gelangen kann – auch wenn der Kunde A beispielsweise die gleiche Glasschiebetüre wie Kundin B haben möchte. Mit einer Kundendatenbank stehen schnell alle wichtigen Daten zur Verfügung, so dass direkt ein passendes Angebot unterbreitet werden kann.
Die Kundschaft wünscht sich individuelle Anpassungen und kann sich das Geplante häufig schlecht vorstellen. Die Möglichkeit der 3D-Darstellung zum sofortigen Erleben des Neuen und eine präzise Kalkulation sind hier die Vorteile. Verbunden mit erweiterter oder virtueller Realität (AR/VR) kann die Kundschaft sich beispielsweise vor dem Umbau des Bades in diesem bewegen und alles anschauen. Und das Beste: Sie vermeiden Reklamationen und Unzufriedenheit, wenn die Kundschaft sich das Ergebnis durch die Visualisierung schon genau anschauen kann. Und für den Betrieb bedeutet dies, dass er mit der digitalen Planung einfach und schnell ein Angebot erstellen und im besten Fall nach der Freigabe auch die Bestellung anstoßen kann.
Bei der Vorfertigung bieten Werkzeuge zum dreidimensionalen Aufmaß ebenso wie CNC-gesteuerte Stab- und Plattenzuschnitte höchste Genauigkeit und bringen neben einem erhöhten Arbeitsschutz auch noch geringere Verschmutzungen bei der Kundschaft mit sich.
Baubeteiligte
Muss der aktuelle Auftrag wirklich der letzte Auftrag bei einem privaten Bauherrn sein? Oder ist es Zeit, über neue Geschäftsmodelle nachzudenken und z. B. Wartung und Instandhaltung direkt mit anzubieten, wie zum Beispiel den Kunden nach Ablauf von fünf Jahren darauf hinzuweisen, dass die Wartungsfugen der Dusche erneuert werden müssen?
Immer mehr Baubeteiligte, also Ihre Mitbewerbenden und auch Ihre möglichen neuen Partner, sind in der Digitalisierung unterwegs, weil die Vorteile für das Unternehmen erkannt wurden. Aus solchen Beteiligten können Arbeitsgemeinschaften organisiert werden, die jetzt in der Lage sind, größere und umfangreichere Aufträge anzunehmen oder im Verbund Maschinen anzuschaffen.
Lebenslanges Lernen
Die Welt und damit unser privates und berufliches Umfeld entwickelt sich unabdingbar weiter unter Zuhilfenahme der digitalen Möglichkeiten. Nur durch einen fortwährenden Lernprozess ist es möglich, die zahlreichen Chancen zu ergreifen. Lebenslanges Lernen statt Stagnation heißt es in vielen Fachveröffentlichungen. Was richtig erscheint, wenn man sich vor Augen führt, in welcher Geschwindigkeit sich Dinge heute verändern.
Keine Angst: Lernen ist mehr als langweilige Texte lesen, Aufsätze schreiben, Prüfungen bestehen oder gar Anstrengung. Es hilft dabei, stetig neues Wissen anzueignen, die eigenen Kompetenzen auszubauen, neue Qualifikationen zu erlangen und bisher Gelerntes anzuwenden. In einer schnelllebigen und sich immer wandelnden Gesellschaft gibt Lernen Ihnen und Ihrem Betrieb die Möglichkeit, am Puls der Zeit zu bleiben.
Handwerk bleibt Handwerk – nur digital unterstützt.
Handwerk ist eine von Hand mit Werkzeugen ausgeführte Arbeit. Daran ändert auch die Digitalisierung grundsätzlich nichts. Genau in diesen Werkzeugen steckt der Zusammenhang: In der Altsteinzeit war der Faustkeil das Werkzeug, mit dem alles bearbeitet wurde. Man sieht: Werkzeuge durchlaufen einen stetigen Wandel, werden permanent verbessert und als Spezialwerkzeuge weiterentwickelt. In der Zeit der Industrialisierung und jetzt in der Digitalisierung hat der Weiterentwicklungsprozess an Schnelligkeit gewonnen.
Aber zuerst muss gebaut werden. Und die Qualität eines Bauwerkes hängt ganz klar von den Händen und den Fähigkeiten der tätigen Handwerkenden ab. Und genau diese Fähigkeiten können durch (digitale) Werkzeuge – wie die Folgenden – unterstützt werden und so die Arbeit positiv beeinflussen, sicherer oder gesünder machen.
Der 3D-Scanner
Es wird z. B. ein 3D-Scan von einem Badezimmer gemacht. Die Dusche kann nun digital mit den Herstellerinformationen geplant werden. Der Kundschaft kann so das neue Badezimmer mit Dusche und Spiegel visualisiert werden und aus der Planung ergibt sich automatisch eine Bestellliste, die nach Freigabe an den Lieferanten versendet werden kann.
Drohnen
Sie sind schon in der Industrie durchgestartet, nun heben sie auch im Handwerk ab. Die Perspektive von oben spart Geld und Zeit, bietet einen erhöhten Arbeitsschutz und ermöglicht neue Geschäftsmodelle. Zwei Joysticks, sechs Rotoren und eine Kamera oder ein 3DScanner erleichtern dem Glaser beim Aufmaß von z. B. Fenstern seine Arbeit.
Sensoren
Sensoren sind kleinste technische Bauteile, die Messwerte beispielsweise an Bauteilen, Maschinen, Fahrzeugen, Behältern aufnehmen. Messwerte können sein: Füllstand, Verformungen und Dehnungen, Gewicht, Druck, Temperatur, Feuchte, Schwingungen, usw. Die Daten können über eine Benutzeroberfläche von allen Beteiligten eingesehen und genutzt werden. Sie haben sicher schon davon gehört: Wenn Sensoren in einem Bauwerk untereinander vernetzt sind und untereinander Daten austauschen, wird von IoT (Internet of Things), dem Internet der Dinge, gesprochen. Sensoren können auch überall sinnvoll eingesetzt werden, wo Störungen im Betrieb auftreten können. Sei es die genutzte Maschine, die heiß laufen kann oder dass dringend benötigtes Material vorrätig ist. Sensoren helfen beim sicheren Umgang mit einer Schleifmaschine: Sie weisen die Nutzenden auf einen zu starken Anpressdruck hin und helfen dabei, den Überblick über Geräte und Materialien zu behalten. Dabei kommen sogenannte Trackingsysteme zum Einsatz.
Visualisierung
Hier fallen oft Begriffe wie Virtual Reality oder Augmented Reality, die sich komplizierter anhören, als sie sind. Ihre Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig: Virtual Reality (VR = Virtuelle Realität) macht z. B. Baustellen sicherer. In der Luftfahrt ist diese Methode beim virtuellen Fliegen von Passagiermaschinen bekannt. Auch auf Baumaschinen kann mit Simulatoren wirklichkeitsecht geschult werden. Augmented Reality (AR = erweiterte Realität) ist die Erweiterung der Realität mit digitalen Visualisierungen, welche über die reale Welt gelegt werden. Eingesetzt wird AR schon lange in der Spieleindustrie. Durch den Einsatz von Smartphone oder Tablet-Apps und auch von AR-Brillen ist der Weg frei für den Einsatz auf der Baustelle. Ausführende können vor Ort sehen, was sich hinter bereits verputzten Decken oder Wänden befindet oder wo genau etwas angebracht werden muss. Schicken Sie doch Ihren Auszubildenen allein zum Kunden und Sie schauen vom Büro aus mit auf das Geschehen. Über die AR-Brille bekommt der Mitarbeitende seine Anweisungen, wie der Einbau erfolgen muss.
Exoskelett
Als ein Exoskelett (griechisch exo = außen und skeletos = Skelett) wird ein mechanisches Gerüst bezeichnet, welches der Mensch am Körper trägt. Die Idee dahinter ist, den Körper mit einem Stützkorsett zum Beispiel beim Heben oder bei der Arbeit über Kopf zu unterstützen. Für die Mitarbeitenden bedeutet das Exoskelett eine enorme Erleichterung in ihrem Arbeitsalltag und für den Betrieb ist es eine lohnende Investition in ergonomische und gesundheitsbewusste Arbeitsplätze.
Wie machen Sie Ihren Glaserbetrieb fit für die Zukunft?
Auf dem Weg zum digitalisierten Glaserbetrieb stellen Sie sich Fragen wie:
- Wie kann ich die Digitalisierung im eigenen Betrieb angehen?
- Welche Schritte sollte ich dabei beachten?
- Welche Tools sind hilfreich?
- Wie kann ich die für meinen Betrieb passenden digitalen Lösungen finden?
Auf diese Fragen die passenden Antworten zu geben, ist nicht ganz einfach, da es immer auf die individuelle Situation ankommt. Deshalb wurde nach einer Lösung gesucht, die möglichst viele Betriebe unterstützen kann. Zu diesem Zweck haben wir uns mit vier Praxisbetrieben und dem BIV diesen Fragen gewidmet und gemeinsam einen virtuellen Leitbetrieb für das Glaserhandwerk entwickelt. Die Ergebnisse wurden in einem interaktiven Digitalisierungspfad aufbereitet, der Sie bei der Umsetzung in Ihrem Betrieb begleitet und Ihnen Lösungen vorstellt.
Weitere Informationen zum Digitalisierungspfad finden Sie auch im nächsten EDITIONGLAS-Fachmagazin.