26. April 2022

Glas statt Putz – Glasfassaden statt Wärmedämmverbundsystemen

Lesezeit: 7 Minuten

Warum müssen Gebäude (Bestand und Neubau) immer verputzt sein oder in der Gebäudesanierung wieder neu verputzt werden? Ich werfe hiermit keine Frage auf, welche Fassadenkonstruktion die bessere ist, sondern möchte eine Vielfalt und Nachhaltigkeit von Möglichkeiten einer hinterlüfteten Glasfassadenkonstruktion ansprechen. Verschmutzte und großflächige veralgte Gebäudeputzflächen, warum ist das so und besser gefragt, warum nehmen wir dieses Phänomen der verschmutzten Hausfassadenflächen als Hauseigentümer hin?

Verputze Gebäudeflächen haben ihren Wert bei Beginn der Neuherstellung bzw. nach deren Ertüchtigung. Millionen von Quadratmetern Hausfassaden wurden in den letzten Jahren – im Rahmen der fortschreitenden Wärmedämmwelle – mittels Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) verkleidet. Im Mittelpunkt standen immer die Aspekte Energie zu sparen sowie eine – wenn auch nur kurzfristig – saubere Putzfassade zu haben. Oft zeigten sich bei diesen Wärmedämmverbundsystemen (nach DIN 4102) immer wiederkehrende Brandfälle – wie zuletzt mehrfach gesehen, bei denen nicht selten gesamte Gebäudekomplex einfach niedergebrannt sind. Da stellt sich für den Betrachter von außen zwangsläufig die Frage: Wie kann eine Fassaden-Außenhaut nachhaltiger und energieeffizienter hergestellt werden? Die Verwendung von Glas kam hierzu in den Fokus der Möglichkeiten und zwar in Form eines nicht unbekannten Verfahrens, einer vorgehängten Kaltfassade mit der Außenhülle Glas.

In einem ersten Schritt untersucht man die Möglichkeiten einer nachhaltigen Außenhaut/Außenhülle hinreichend, um die Paradigmen der bestehenden oder neuen Gebäudehüllenkonstruktion besser verstehen zu können. Hierbei werden die örtlichen, baulichen Gegebenheiten dokumentiert und 3-dimensional abgebildet.

Ein weiterer Aspekt ist die Herstellung der Gesamtfassadenkonstruktion aus Sicht eines KMU (klein- und mittelständischen Handwerksunternehmen/Glaserei, Fensterbaubetrieb). Mit wenigen aufwendigen Maßnahmen sollte eine großflächige Glasfassadenkonstruktion, bestehend aus kleinteiligen Glasflächen, ohne aufwendige Hebewerkzeuge etc. vom Glaser herzustellen sein.

BildScan
Quelle: SV-Büro Layer (per Laserscan geodätisch aufgenommen)

Der zweite Schritt der Studie befasst sich mit der Glaskonstruktion als solches. Hierbei ist die Konstruktion, Unterkonstruktion, Auswahl der Materialien und die Befestigung an der Gebäudehülle, sprich die Gesamtkonstruktion werkplanerisch abzubilden.

Der dritte Schritt der Studie bildet eine Symbiose zwischen einer bereits bekannten, jedoch in Bestandsgebäuden eher unüblichen Maßnahme der vorgehängten und hinterlüfteten Glasfassadenkonstruktion (Kaltfassade) mit einer auf der bestehenden Außenwandkonstruktion von Versorgungsleitungen wie Strom, Heizleitungen etc. sowie einer unbrennbaren Wärmedämmung ab. Zusätzlich können in der Glasfassade (Glasfläche) Photovoltaiksysteme, Sonnenkollektoren als Energieerzeuger – teilweise oder segmentiert – unsichtbar integriert werden.

Diese Symbiose von einer funktionalen, umfassenden Glasumfassung ergibt vielfältige gestalterische Möglichkeiten, gepaart mit einem autarken Energiekonzept (KWK-Kraftwerk für Wärme und Strom) des Bestandsgebäudes.

Weitergehend wird in der Studie gerade dieses Zusammenspiel zwischen Glasfassade, einer jederzeit zugänglichen Hinterlüftung (welche hier als TGALagerraum genutzt werden kann) und eines gestalterischen Energieerzeugers aufgezeigt.

Produktanwendung im Abgleich der Gewerke

Der ursprüngliche Gedanke ist, die Schnittstelle der Gebäudehülle (Putzfassade, Gewände, Verschattung, Türen/ Tore und bestehende Fenster) in einer außenseitigen Ertüchtigung (Bestandgebäude) ganzheitlich positiv zu verändern. Hierbei lautet die Prämisse: raumseitig ohne größere Veränderungen die Außenfassade funktional und gebrauchstauglich neu herzustellen und gleichzeitig einen geringeren Arbeitsaufwand von vielen Einzelgewerken auf maximal drei Gewerke zu reduzieren.

Fachgerechter Einsatz der TGA/ Einbindung TGA

Die technische Gebäudeausrüstung (TGA) ist in der Studie „Glas anstatt Putz“ ein Teil der Fassadenkonstruktion. Dies hat zur Folge, dass im vorgehängten und hinterlüfteten Fassadenbereich die TGA unmittelbar auf die bestehende Gebäudehüllenkonstruktion (Bestand) aufgebracht wird.

Konstruktion der vorgehängten Glasfassade

Die vorgehängte Glasfassade, welche hier als hinterlüftete Kaltfassade fungiert, übernimmt den gestalterischen Aspekt der Fassadenkonstruktion. Weiterhin kommt ihr eine Schutzfunktion sowohl der TGA als auch des gesamten Gebäudes zu. Berücksichtigt wurde, dass die gesamte TGA (Elektro, Zu- und Abwasser, Kommunikation, Wärmeversorgung (KWK), Lüftung) unsichtbar, jedoch wartungsfreundlich, hinter einer frei gestalten Glasfläche platzsparend integriert ist.

Statische Bewertung/Glas/Unterkonstruktion

Bei der Planung der Fassadenkonstruktion ist zu beachten, dass die Größe der verwendeten Glasflächenelemente so zu wählen ist, dass, bei einem den Anforderungen gerecht werdenden Glasaufbau, das Gewicht nicht die Belastungsgrenze von maximal zwei Personen überschreitet. Dies stellt sowohl eine Erleichterung der Montagearbeiten als auch der möglichen Revisionsarbeiten dar.

Bei der Wahl der Unterkonstruktion wird darauf hingewiesen, dass die Montage auf jegliche Bestandsfassaden geplant und aufgebracht werden kann.

Gestaltung der bestehenden Fassade

Dem Planer/Glaskonstrukteur steht es nunmehr frei, die Wahl der Glasart (stets Sicherheitsglas mit Resttragfähigkeit) und die Gestaltung der Glasoberflächen (Glasmalerei, Siebdruck, Farbgestaltung, Reliefs, etc.) mit dem Bauherrn abzustimmen.

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Glasfassadenkonstruktion mit Photovoltaiksystem | Quelle: Petschenig-Glastec-GmbH, Wien

Architektenschulungen

Die Studie bindet alle am Bau Beteiligten ein. Explizit seien hier der Architekt und der Glaskonstrukteur genannt. Für die Umsetzung einer solchen neuen Glasfassadenkonstruktion ist ein empirisches Wissen notwendig, welches in Schulungen nahegebracht werden kann und soll. Hier gilt der Wahlspruch: aus der Praxis, für die Praxis.

Explizite Problemlösungen für Kunden

Ein besonderes Augenmerk ist auf die Werk- und Montageplanung durch den Planer/Glaskonstrukteur zu legen. Den Beteiligten muss im Vorfeld klar sein, dass die Umsetzung einer solchen Fassade nicht nur einen Eingriff in die Gebäudehülle bedeutet, sondern auch im Gebäudeinneren punktuelle Arbeiten mit sich bringen.

Profi-Lösungen zentral und dezentral

Die Studie zielt in erster Linie auf die Entwicklung von systemrelevanten und handwerklichen Konstruktionen in der Neugestaltung der Gebäudehüllen im Bestand ab. Dabei spielt die funktionale Wärmedämmung (Umweltschutz) sowie die handhabbare Umsetzung der Arbeiten eine entscheidende Rolle.

Fehler-Vermeidung/praktische Hinweise

Die Entwicklung der vorgenannten Systeme ist im ersten Schritt der Untersuchung den vorhandenen örtlichen und baulichen Gegebenheiten anzupassen. Die gewonnen Erkenntnisse müssen in die Planung sowie in die Werk- und Montageplanung einfließen.

Schutz der bestehenden Fassadenkonstruktion

Durch die Erstellung einer neuartigen und kleinformatigen Glasoberfläche, welche als Schutzschild (Wärme, Feuchte, Schall) des Gebäudes fungiert, wird die bestehende Gebäudehülle neu eingefasst. Die bestehende Ist-Situation der Gebäudehülle muss nicht verändert werden.

Geschäftsfeld-Erweiterung

Das Entwickeln einer neuen Fassadenkonstruktion bietet für alle Beteiligten neue Chancen und eine Erweiterung bisheriger Geschäftsfelder. Es ist zudem denkbar und wünschenswert, dass dadurch auch neue gewerkeübergreifende Kooperationen entstehen, welche Synergieeffekte mit sich bringen.

Betriebswirtschaftliche Betrachtung

Vorteile einer außenseitigen Ertüchtigung der Gebäudehüllenfassade ist, dass sich der raumseitige Aufwand verringert, so kann z. B. die komplette Entkernung entfallen. Der dadurch einzusparende Arbeits- und Zeitaufwand spiegelt sich folgerichtig auch im Budget wider.

Schnittstelle: Glasfassadenoberfläche/ Architektur

Die Studie „Glas anstatt Putz“ bringt nicht nur diverse technische Vorteile mit sich, sondern greift auch den momentanen architektonischen Zeitgeist auf, welcher großflächige Glaskonstruktionen als gestalterisches Mittel verwendet.

Schnittstelle: Nachhaltigkeit und Energieeffizienz

Insbesondere eine umweltschonende Nachhaltigkeit und Energieeffizienz im Bereich von energieerzeugenden Systemen wie z. B. Einsatz von Photovoltaiksystemen im Glasbereich machen ein Gebäude energieneutral und auch ein stückweit unabhängig(er).

Die Grundlage der Studie sind Zahlen von Wohngebäuden – dessen Bestand in Deutschland bis ins Jahr 2019 reicht.

Am 30.07.2020 wurde veröffentlicht, dass 2019 in Deutschland über 19,2 Millionen Wohngebäude gezählt wurden. Jährlich wächst der Bestand an Wohngebäuden und damit auch die Gesamtgröße der Außenwandflächen in Wohngebäuden – 2019 waren es insgesamt rund 4,985 Milliarden Quadratmeter.

Wohnungen in Deutschland

Die Anzahl der Wohnungen in Wohngebäuden nimmt jährlich zu. Die meisten der bestehenden Wohnungen befinden sich in Mehrfamilienhäusern, knapp ein Drittel in Zweifamilienhäusern. Am meisten Wohnungen befinden sich im am dichtesten besiedelten Bundesland Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Bayern und Baden-Württemberg. Trotzdem wohnen im genannten, starkbesiedelten Bundesland mehr Personen in einer Wohnung als beispielsweise in Sachsen-Anhalt.

  • 186.000 Öffentliche Gebäude in Deutschland, beinhalten ca. 235.000.000 m² Außenwandflächen.
  • 2,7 Mio. Nichtwohngebäude in Deutschland, beinhalten ca. 1.053.000.000 Mrd. m² an Außenwandflächen (beheizte Räume).
  • 1,45 Mio. Nichtwohngebäude in Deutschland beinhalten ca. 835.000.000 Mio. m² an Außenwandflächen (unbeheizte Räume).

Insgesamt ist festzuhalten, dass ca. 7.108.000.000 Mrd. m² Außenwandflächen im Rahmen der Gebäudehülle zu einer möglichen Verglasung in Deutschland zur Verfügung stehen.

Zusammenfassung der Studie

Die Grundgedanken waren, neue Wege und Konstruktionen aus den vielen und bereits bekannten Ansätzen der vorgehängten und hinterlüfteten Fassaden zu finden, die in der Vergangenheit vom Flächenmaterial Metall, Stein und Putz besetzt waren. Die Durchlässigkeit und die Veränderbarkeit einer Gebäudehülle, deren Betrachtung und Umsetzung des Leistungsprofils der Außenwandfläche mit ihrer veränderbaren Durchlässigkeit erfolgt im Kontext mit dem Gebäudekontext, und seiner Hülle. Übergeordnete Zielsetzung, welche im Rahmen eines ganzheitlichen, energieeffizienten Gesamtkonzeptes die Einhaltung thermischer, hygienischer und visueller Behaglichkeitskriterien im Rauminneren und der Umweltseite zu sehen ist, gepaart mit handwerklicher Machbarkeit und konstruktiver Funktionalität und Gebrauchstauglichkeit, entsprechend der Definition „Glas anstatt Putz“.

Insbesondere ist die wirtschaftliche Herausforderung zur Mehrung des Werkstoffes „Glas“ in der gesamten Fläche der Gebäudehülle und nicht nur als Pfosten-Riegel oder Bauelement Fenster, zu sehen. Die Durchlässigkeit von Licht und Wärme – (g-Wert)/Energie – in Photovoltaik und/oder Warmwasseraufbereitung sowie als KWK-Heizanlage in Bestands- oder Neugebäuden, ist ein „Neuer Weg“ des handwerklichen Mehrwertes im Glaserhandwerk. Bei den bereits aufgezeigten vielseitigen Maßnahmen greifen die Hüllflächen/ Gebäudehüllen die bestehenden und zu bedeckenden Bauteile – aus verschiedenen Materialien, Schichten und Schalen (Putze oder ähnlich) – mit definierter Geometrie und Konstruktionen auf. Eine Besonderheit ist die verdeckt liegende und somit geschützte Gebäudeversorgung und die gesonderte Wärmedämmung unterhalb der Glashüllfläche. Die Funktionsstruktur ist dahingehend als Leistungsbild zu verstehen, in dem diese Strukturen – zwischen Design/Schallschutz/ Gebäudehülle als Glaskonstruktion/ Wärmeschutz/Sonnenschutz und Energieerzeuger – dem Glaserhandwerk vielfältige Chancen künftiger Arbeitsfelder einräumt. Die wirtschaftliche Betrachtung dieser Fassadenkonstruktion, welche als Kaltfassade (kleinformatige Glasflächen) zu sehen ist, kann aus der Situation der riesigen Flächen heraus, als Katalysator für die Glasbranche verstanden werden. Zu beobachten war, dass die gebäudeintegrierten Solarsysteme von mehreren Faktoren abhängig sind. Ausgehend von der Sonnenstands Situation, über den nach Gebäudestandort (Himmelsrichtung), der Ausrichtung und Verschattungssituation und einer effektiven, jährlichen Einstrahlung auf die Glasfassadenkonstruktion (als vorgehängte und hinterlüftete Glasfassadenkonstruktion), standen diese Faktoren am Ende für die Wirtschaftlichkeit.

Sie stellt das maximal nutzbare Potenzial für das Solarsystem dar. Bei der Studie „Glas anstatt Putz“ steht die Machbarkeit sowie die handwerkliche Umsetzung eines Bestandsgebäudes mit völliger äußerer Veränderung der Gebäudehüllfläche mit kleinformatigen Glasflächen (Sicherheitsglas) im Fokus. In der Untersuchung konnte herausgefunden werden, dass mehr als ca. 7,1 Mrd. m² Gebäudehüllflächen zur Belegung mit Glas möglich wären – und davon ca. 25 % als Energieerzeuger (Südseitenausrichtung). Hervorzuheben ist der Mehrwert durch neue Funktionalitäten, kleine Glasflächen (gutes Handling, dadurch geringer Mitarbeitereinsatz), montagefreundliche Glasfassadenmontage, Schaffung der neuen Struktur in der Gebäudehülle durch modernes Glasdesign und Gleichklang zur Konstruktion sowie der einfache TGA (technische Gebäudeausrüstung) Einsatz.

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Quintessenz der Überlegungen/Studie

Das Zusammenspiel zwischen Glaskonstruktion und TGA ist eine Symbiose des NEUEN, mit Glas als reinem Fassadenwerkstoff der Zukunft.

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