1. Juni 2022

glasstec – Ein Teil der Geschichte des Glaserhandwerks

Lesezeit: 6 Minuten

Seit dem 11. Jahrhundert gibt es die dem unmittelbaren Warenaustausch dienenden Warenmessen in Verbindung mit den Kirchenfesten. Das rege Messeleben vor allem in Italien, Frankreich, den Niederlanden, aber auch in Russland zog Händler und Hersteller aus allen Ecken und Enden Europas an. Messen waren zugleich wahre Volksfeste und regierende Grafen, Fürsten und Könige verdienten üppig an der Vergabe entsprechender Messeprivilegien und -freiheiten.

Im Laufe der Zeit entwickelten sie sich auch zu Geldhandelsplätzen. In Deutschland erhielt 1240 Frankfurt am Main das erste Messeprivileg, gefolgt von Leipzig, Braunschweig und Frankfurt/Oder. Die Leipziger Messe behielt als „Mustermesse“ ihre große Bedeutung, die sie – Ironie der Geschichte – trotz Hilfestellung der Düsseldorfer Messe mit der Wiedervereinigung einbüßte.

Nach ihrem Vorbild entstand aber zwischen 1904-1924 in fast allen europäischen Ländern weitere Mustermessen, die sich bald warenspezifisch entwickelten. Das Schlagwort von der „Mutter aller Messen“ war geboren.

Schon frühzeitig verknüpfte auch das Glaserhandwerk seine zentralen Verbandstage, ob Reichs- oder Bundesglasertage genannt, mit entsprechenden Fachausstellungen während der Dauer der Tagung. So eröffneten noch am ersten Tag der Jahreshauptversammlung des Zentralverbandes des Deutschen Glaserhandwerks auf dem 59. Glasertag in Goslar vom 29. Juni bis 2. Juli 1950 der Vorstand die „Ausstellung von Maschinen, Werkzeugen, Roh- und Hilfsstoffen sowie fertigen Arbeiten des Glaserhandwerks“ in der Knaben-Mittelschule am Hohen Weg.

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Foto: Messe Düsseldorf/C. Tillmann

Nachdem die Ausstellungen über die Jahre hinweg immer umfangreicher wurden, entwickelte sich der Gedanke im Glaserhandwerk, die zukünftigen Ausstellungen mit einem Kooperationspartner aus der Messelandschaft durchzuführen. 20 Jahre später, am 16. April 1970 war
es dann soweit. Bescheiden und eher zurückhaltend startete in Halle B der Düsseldorfer Messe die erste „Internationale Fachausstellung für das GLAS-Handwerk.“ Mit 87 ausschließlich inländischen Ausstellern auf einer vermieteten Fläche von 2.500 m2 und rund 4.500 Besuchern mochte die GLAS 70 ihrem Anspruch als „Internationale Fachausstellung“ sicher nicht gerecht werden. Dennoch war der Grundstein für eine Erfolgsstory gelegt, ging es stetig bergauf.

Auf der GLAS 76, als zum ersten Mal die ISO'76 in Halle 3 der Düsseldorfer Messe mit einbezogen wurde – eine Fachausstellung zum Thema Wärme-Kälte-Schall-Feuchte – stand das Glaserhandwerk dem eher skeptisch gegenüber. Die vorsichtig abwägende Haltung sollte sich als ungerechtfertigt herausstellen. Heute gehören Themen wie Dämmung, Wärme-, Kälteschutz oder Isolation längst zu dem Tagesgeschäft der Glaswirtschaft und dem Glaserhandwerk, was sich im Übrigen ausgeprägt auf der diesjährigen glasstec 2022 widerspiegeln wird.

Aber auch ein ganz anders prägendes Ereignis sollte bis heute nachwirken und wird es auch in Zukunft tun. Die Tagungsteilnehmer des gleichzeitig einberufenen 77. Bundesglasertages und die Messebesucher trugen zum ersten Mal das inzwischen zum Markenartikel erhoben grüne „Glaser-G“ am Revers. Es war eigens von der Flachglas AG Delog-Detag entworfen und gefertigt worden.

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Foto: Messe Düsseldorf/C. Tillmann

Als im September 1980 die sechste GLAS – nun längst als renommierte „Internationale Fachmesse für Industrie, Handel und Handwerk, Anwendung, Maschinen und Ausrüstung“– ihre Tore am Rhein öffnete, hatte sich die vermietete Standfläche von ehemals 2.500 m2 auf 15.574 m2 vergrößert und damit versechsfacht. Die Zahl der Aussteller verdreifachte sich mit 268, wobei allein 98 aus dem Ausland kamen.

Mit der Einrichtung des Messe-Beirats zur GLAS 78 und der erstmaligen Beteiligung der Hersteller von Flach- und Hohlglas-Maschinen veränderte sich das Bild der ehemaligen Handwerksaustellung. Die Basis wurde breiter, stabiler; das erweiterte Angebot zog zwangsläufig neue Besucher an. Die „GLAS“ bekam ein neues Format. Auf der GLAS 82 führte zum ersten Mal der inzwischen neu gewählte Bundesinnungsmeister Bernhard Felmer die Liste des 15-köpfigen Messe-Beirats an, zu dem Vertreter der Flachglas AG, der Fachgemeinschaft Bau- und Baustoffmaschinen im VDMA, des Fachverbandes Flachglasindustrie, des Glaserhandwerks und einige Industrievertreter gehörten.

Als der Bundesinnungsverband im Jahr 2001 sein 120-jähriges Bestehen feierte, ging der damalige Geschäftsführer der Messe Düsseldorf, Horst Klosterkemper, in seinem Grußwort der Festschrift auch auf die Bedeutung des 1978 geschaffenen „GLAS Messe-Beirats“ ein. Klosterkemper: „Die ideellen Träger der glasstec sind der Bundesinnungsverband des Glaserhandwerks, der VDMA mit seinem Fachverband Glasmaschinen und -Anlagenbau und der Bundesverband der Glas- und Mineralfaserindustrie. Wir vier sind national und international erfolgreich tätig und haben mit der glasstec in Düsseldorf ein Forum geschaffen, das weltweit Anerkennung findet und Impulse setzt, die für die Entwicklung des Glases richtungsweisend sind. Dafür steht auch der glasstec-Beirat.“

Zwischenzeitlich ist die glasstec zur Weltmesse No. 1 in Sachen Glas geworden, hat national und international gleichgelagerte Messen weit hinter sich gelassen.

Als 1986 der ehemalige Bundesminister für Wirtschaft und wirtschaftspolitische Sprecher der FDP, Otto Graf Lambsdorf, die 9. Internationale Fachmesse GLAS 86 eröffnete, sollte dies das letzte Mal unter der Bezeichnung GLAS sein. Zwei Jahre später sollte aus der GLAS die GLASTEC werden. Die Zahl der ideellen Träger – von 1970–1988 war allein der Bundesinnungsverband des Glaserhandwerks als ideeller Träger ausgewiesen – wird um den Bundesverband der Glas- und Mineralfaserindustrie sowie um die Fachabteilung Glasmaschinen und Anlagen im VDMA erweitert und ein Präsidium wird eingerichtet. Der Beiratsvorsitz geht von dem Bundesinnungsverband auf den VDMA über. Im Gegenzug wird der „glastec-Präsident“ zukünftig wechselseitig vom Bundesinnungsverband des Glaserhandwerks und vom Bundesverband Glas- und Mineralfaserindustrie gestellt. Eine Konstellation, die bis heute beibehalten wurde und sich über die Jahre hinweg mehr als bewährt hat.

Ab 1996 war die GLASTEC im Internet und 1998 hieß es „discover the world of glass“. Die einst noch sehr bescheiden GLAS 70 war nach fast dreißig Jahren in einem modernen internationalen „Outfit“ ganz oben angekommen und weiß sich seitdem zu behaupten. Als am 28. Oktober 2000 die erste „glasstec“ (jetzt mit Doppel-s auf internationales sprachliches Niveau gehoben) im neuen Jahrtausend ihre Pforte schloss, waren 124 Aussteller aus 41 Ländern dabei, ihre Stände abzubauen. 52.000 Besucher aus 74 Ländern informierten sich über Maschinen, Ausrüstungen, Anwendungen und Produkte rund um den Werkstoff Glas. Horst Klosterkemper nach Abschluss der glasstec: „Damit hat die glasstec ihren internationalen Stellenwert als Branchenbarometer und Spiegelbild der Glasbranche eindrucksvoll bestätigt.“

18 Jahre später sollte sich dies erneut bewahrheiten. 1276 Aussteller aus 126 Ländern sprechen eine deutliche Sprache. 96 Prozent der Aussteller und Besucher waren hochzufrieden mit der glasstec 2018 als „the place to be for business“.

Was bis dahin keiner ahnte, die 2018 glasstec sollte vorerst die letzte Veranstaltung ihrer Art sein und ausgerechnet die Chinesen – die zwischenzeitlich eine nicht unerhebliche Anzahl von Ausstellern auf der glasstec repräsentieren – waren dafür die Auslöser, als man am 31. Dezember 2019 in Wuhan/China den Ausbruch einer neuen Lungenentzündung mit damals noch unbekannten Ursachen bekannt gab.

Dies sollte die Welt der glasstec nachhaltig verändern. Aufgrund der darauf weltweit eingetretenen Corona-Pandemie und deren Auswirkungen, musste die glasstec 2020 auf den Juni 2021 verschoben werden. Nicht nur ein herber Rückschlag für die glasstec, sondern auch für das Messegeschäft und alle Beteiligten insgesamt. Mit einem Schlag kam das „face to face“-Messegeschäft weltweit zum Erliegen. Dies war die Sternstunde der „Virtual glasstec“.

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Foto: Messe Düsseldorf/C. Tillmann

Unter dem Motto „glasstec VIRTUAL – Your business goes digital“ eröffnete die glasstec VIRTUAL vom 20. bis 22. Oktober erfolgreich ihre „Digitalen Pforten“ im world wide web. Sie war gedacht als Brücke zur anstehenden glasstec im Juni 2021. Jener Termin, auf den man sich im glasstec-Beirat als Ausweichtermin verständigt hatte. Mit ihrem Konzept aus digitaler Wissensvermittlung, neuen Präsentationsmöglichkeiten für Aussteller sowie zusätzlichen virtuellen Networking-Angeboten hat die „Virtual glasstec“ die internationale Glasbranche vernetzt.

„Mit dem virtuellen Angebot der glasstec zeigt die Messe Düsseldorf, dass sie die Industrien weltweit nicht nur bei Präsenz-Veranstaltungen, sondern auch mit digitalen Formaten zusammenbringen kann. Damit positioniert sie sich einmal mehr als Top-Adresse für globale Kommunikation und Geschäftskontakte“, so Erhard Wienkamp, COO Messe Düsseldorf.

Doch auch 2021 sollte alles andere als ein glasstec-Jahr werden. Zwischenzeitlich wieder an Fahrt aufgenommen, musste aufgrund der Entwicklung der Corona-Pandemie die glasstec 2020 mit ihrem Ausweichtermin endgültig abgesagt werden. Doch am 20. September 2022 soll es dann endlich soweit sein, wird es die glasstec 2022 wieder in die Messe-Erfolgsspur führen. Corona ist zwar noch allgegenwärtig und wird es auch zukünftig wohl bleiben, dennoch sind sich alle Beteiligten des glasstec-Beirats einig: die glasstec wird laufen, die Branche befindet sich bereits in einer „Vorfreude“, die Ausstelleranmeldungen lassen positiv auf die glasstec blicken.

„Die Anmeldezahlen liegen zu Beginn des Jahres auf einem vergleichbaren Niveau wie im Jahr 2018 – also vor der Pandemie. Ein positives Signal aus der Glasindustrie, bedenkt man, dass die letztmalige Veranstaltung zu einer der erfolgreichsten Messen gehörte, die wir am Standort Düsseldorf hatten“, ergänzt Birgit Horn, director glasstec.

Auch der Bundesinnungsverband des Glaserhandwerks blickt positiv auf die kommende glasstec. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren und in Halle 10 D/58 wird das Glaserhandwerk erneut seine Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Dazu beitragen wird auch der Skills-Wettkampf „WorldSkills germany@glasstec“, der die Vertreter der Deutschen Glaser-Nationalmannschaft hervorbringen wird, die uns in Polen auf der Wettkampfbühne vertreten werden.

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Foto: Messe Düsseldorf/C. Tillmann
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