Längst geht es schon um das nackte Überleben von Innungen.
Tradition und Standesethos spielen zunehmend eine untergeordnete Rolle, wenn es um die Zukunft und den Erhalt von Innungen geht. Schon längst geht es bei vielen Innungen um das nackte Überleben, hervorgerufen durch massiven Mitgliederrückgang, Betriebsauflösungen und Desinteresse bei den jungen „Nachwuchshandwerkern“. Ungeachtet dessen sind Innungen wichtige Interessenvertretungen für die Handwerksunternehmen. Hier gilt es, diese am Leben zu erhalten, damit der Berufsstand zukünftig nicht unter die Räder kommt und ausstirbt.
In der Konsequenz würde das Aussterben der Innungen auch für die vielen nicht organisierten Handwerksbetriebe mit erheblichen Nachteilen verbunden sein. Ohne Interessenvertretung bestimmen dann andere, wo der Zug hinfährt, kann man nur noch reagieren statt agieren, wird man zum Spielball der wirtschaftlichen Kräfte.
Viele Innungen in Deutschland haben aufgrund ihrer Konstellation zwischenzeitlich den Handlungsdruck erkannt und setzen sich dafür ein, über Zusammenschlüsse eine schlagkräftige „Landesinnung“ zu gründen. Auch der Landesinnungsverband der Glaser in Hessen gehört dazu.
Als sich die Delegierten des Landesinnungsverbandes Hessen im letzten Herbst zu ihrer Mitgliederversammlung trafen, überraschte es nicht, dass genau diese Problematik ganz oben auf der Agenda der Versammlung stand. Schon lange im Vorfeld wurde immer wieder das Thema „Zusammenschluss“ diskutiert. Doch solange die meisten hessischen Innungen noch auf eine akzeptable Mitgliederzahl schauen konnten, mit wenig Erfolg. Wie bei vielen Innungen Deutschlands hat auch bei den hessischen Glasern der jahrelange Abschmelzungsprozess bei ihren Mitgliedern am Ende zu einer größeren Gesprächsbereitschaft geführt, zeigte man sich auf der letzten Mitgliederversammlung offen für die dringend benötigten Veränderungen. Dabei ging es nicht nur um die Fusionierung von Innungen, um am Ende in Sachen Verbandsarbeit Geld zu sparen, sondern auch um ein attraktiveres Angebot für die Mitglieder. Ein Angebot, das zukünftig auch dazu führen soll, dass wieder mehr hessische Glaserbetriebe den Weg in die dann neugegründete „Glaser Innung Hessen“ finden sollen.
Mit dem „neuen“ Zusammenschluss würde sich der Innungsbereich von der Landesgrenze NRW über Niedersachsen, Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz bis hin nach Thüringen erstrecken, oder anders ausgedrückt über ein Innungsgebiet von 21.114,94 km².
Bei der angedachten Neuausrichtung seines Landesinnungsverbandes nahm sich Landesinnungsmeister Martin Gutmann sachkundige Verstärkung von außerhalb mit ins Boot. Landesinnungsmeister Uwe Horn und Geschäftsführer Roger Möhle, von der Glaser-Innung Niedersachsen, berichteten im Rahmen der Herbst-Mitgliederversammlung von den Erfahrungen, die sie mit der Gründung ihrer Glaser-Innung in Niedersachsen bereits vor Jahren gemacht haben. Die Anwesenden konnten sich am Ende selbst ein Bild machen, was auf sie und ihre Mitglieder mit der Neugründung einer Landesinnung in Hessen zukommen würde.
Unstrittig ist, dass eine „Neuausrichtung“ zum Überleben der „organisierten Glasergemeinschaft Hessen“ beitragen würde, unstrittig ist aber auch die Tatsache, dass gerade auch im Ausbildungssektor neue Synergieeffekte entstehen würden, denn gemeinsame Prüfungen sowie zusammen durchgeführte Überbetriebliche Unterweisungen (ÜBL) für die Auszubildenden sind die Zukunft. Unstrittig ist aber auch, dass insbesondere die nachkommenden Generationen von Glasern kritisch hinterfragen, welchen Mehrwert die Mitgliedschaft ihrem Betrieb bietet. Daher gilt es, auf diese Verschiebungen im Gesamtgefüge Antworten finden, um attraktiv für die Mitglieder zu bleiben und um Neumitglieder einzuwerben. Die entsprechende Antwort darauf sollte die Neuausrichtung des Landesinnungsverbandes Hessen sein.
Landesinnungsmeister Martin Gutmann hatte dann auch anlässlich der Mitgliederversammlung ein passendes Konzept für die Neuausrichtung im Gepäck, das er den Anwesenden präsentierte. Im Anschluss stimmten die Vertreter der hessischen Glaser-Innungen einstimmig für eine „Absichtserklärung über die Einigung zur Gründung einer Landesinnung Hessen“. Jetzt ist es an der Geschäftsstelle des Landesinnungsverbandes in Hanau, ein entsprechendes Fusionspapier zu erstellen, den Zusammenschluss herbeizuführen, um ihn anschließend – gemeinsam mit den Mitgliedern – mit Leben zu füllen.