25. April 2022

Brandschutzverglasungen mit Schmelzventil

Lesezeit: 4 Minuten

In prominenter Lage Budapests, zwischen der Freiheitsbrücke und der Petöfibrücke am Pester Donau-Ufer, bereichert eine fantasievolle Bauskulptur die Silhouette der Donau-Metropole. Mit dem gläsernen „Wal“, wie das im Oktober 2013 eröffnete Einkaufs-, Kultur- und Gastronomiezentrum „Bálna“ im Volksmund genannt wird, setzen die Stadtväter auf den „Bilbao-Effekt“. Die Realisierung der frei geformten Gebäudehülle indes stellte hohe Anforderungen an alle am Bau beteiligten Unternehmen. Für den baulichen Brandschutz sorgt unter anderem eine raffinierte Konstruktion aus dem Spezialglas PYRAN® S von SCHOTT Technical Glass Solutions, Jena.

Objektbericht: Bálna, Budapest: Der gläserne Wal

Den 2006 international ausgeschriebenen Architekturwettbewerb zur Revitalisierung der in unmittelbarer Nähe der Donau gelegenen Brachfläche konnte das niederländische Büro Kas Oosterhuis, Rotterdam, für sich entscheiden. Oosterhuis überzeugte die Jury mit einem Entwurf, der die denkmalgeschützten Lagerhallen von 1881 in eine Konstruktion aus Stahl und Glas einbindet, welche sich über eine Länge von rund 150 Metern entwickelt. Es ist diese Mischung aus alt und neu, die dem Gebäude seinen besonderen Charakter verleiht, wenn auch Oosterhuis' Entwurf nicht in der von ihm gewünschten Form umgesetzt wurde: Anstelle der ursprünglich geplanten, von der Primärkonstruktion getrennten Verglasung wurde die äußere Hülle schließlich direkt auf die stählernen Rundrohre aufgebracht. Dieser Aufbau wurde nach Plänen der AFC GmbH, Wien, realisiert.

Die beschichtete Stahlkonstruktion erfüllt die Brandschutzanforderung E (G) 30. Das von Dr. Lajos Gábor Takács, Budapest, entwickelte Brandschutzkonzept unterteilt das Gebäude in 19 Brandabschnitte. An Deckenabschnitte, die nicht über einem Fluchtweg liegen, wurden keine besonderen Brandschutzanforderungen gestellt; hier durften jedoch ausschließlich nicht brennbare Materialien verwendet werden. Bereiche, die Fluchtwege überdecken, mussten der Brandschutzanforderung E (G) 30 genügen. In diesen Bereichen kam das Spezialglas PYRAN® S von SCHOTT Technical Glass Solutions zum Einsatz. In den Zwischenraum der Isolierglasscheiben wurden jeweils zwei Schmelzventile eingebaut. Diese schmelzen im Brandfall auf und es entsteht eine Öffnung, durch die die Luft des Scheibenzwischenraums nach außen entweichen kann.

Schmelzventile kommen immer dann zum Einsatz, wenn die Gegenscheibe zur Brandschutzscheibe ebenfalls ein vorgespanntes Glas ist. Sie stellen sicher, dass die Scheiben im Brandfall nicht durch den erhöhten Innendruck im Scheibenzwischenraum zerspringen. Die mechanische Festigkeit von vorgespanntem Floatglas ist so hoch, dass es ohne diesen Druckausgleich nicht gewährleistet wäre, dass in der ersten Phase des Brandes die Gegenscheibe und nicht die Brandschutzscheibe zerspringt, wie es bei einem einfachen Floatglas als Gegenscheibe der Fall ist.

Foto: SCHOTT, Jena
Foto: SCHOTT, Jena

Die Eignung dieser von der Bauwag Bt, Budapest, in Zusammenarbeit mit Orosházaglas Kft., Orosháza, vorgeschlagenen und entwickelten Sonderkonstruktion war zuvor in zwei Brandprüfungen – in waagrechtem und in geneigtem Zustand – nachgewiesen worden. Der Scheibenaufbau (unten nach oben: VSG aus 8 mm PYRAN® S/1,52 mm PVB/6 mm Float/20 mm SZR mit zwei Schmelzventilen/10 mm ESG Sunguard neutral 62) kombiniert die Brandschutzanforderungen (innen) mit einem (außen liegenden) Sonnenschutzglas. PYRAN® S ist ein monolithisches, thermisch vorgespanntes Borosilikatglas nach DIN EN 13024-1. Als Bestandteil von Brandschutzverglasungen der Feuerwiderstandsklassen E (G) 30, E (G) 60, E (G) 90 und E (G)120 bewährt es sich seit Jahren am Markt. Es eignet sich darüber hinaus für Anwendungen mit multifunktionalen Anforderungen wie z. B. Wärme-, Sonnen- und Schallschutz. Gemeinsam mit Systempartnern entwickelt die SCHOTT Technical Glass Solutions GmbH Konstruktionen mit PYRAN® S, die international zugelassen und hervorragend für den Einsatz in Stahl-Glas-Fassaden wie der des „Wals“ geeignet sind. Die Orosházaglas Kft. produzierte insgesamt 1300 großformatige, dreieckige Isolierglaselemente, 405 davon aus PYRAN® S, die je nach Lage im Gebäude mit dreieckigen Aluminium-Sandwichpaneelen wechseln.

CET_Budapest_pic3
Foto: SCHOTT, Jena

Die gläserne Außenhülle überspannt eine Netto-Gesamtfläche von über 26.000 m2, die sich auf das Erdgeschoss, vier oberirdische und drei unterirdische Etagen verteilen. Besucher betreten den „Wal“ an den jeweiligen Giebelseiten. Die aus Backsteinen gemauerten Eingangsbogen zu den Geschäften lassen die ursprüngliche Substanz der denkmalgeschützten Lagerhallen von 1881 erkennen, die in die Stahl-Glas-Konstruktion eingebunden wurden. Das Innere ist lichtdurchflutet, der Boden der oberen Etagen mit Parkett belegt, was man in einer Shoppingmall nicht erwarten würde. Aber das will der „Wal“ auch gar nicht sein, sondern vielmehr ein Zentrum für „Kultur, Unterhaltung, Gastronomie und Handel“. Das im Erdgeschoss gelegene Restaurant bietet einen ungestörten Blick auf die nahe Donau, die darüber liegenden Etagen sollen künftig als Ausstellungs- und Veranstaltungsflächen genutzt werden. Als einer der ersten Nutzer hat sich die „Neue Galerie Budapest“ angesiedelt, deren erste permanente Ausstellung unter dem Titel „Eintauchen in Budapest“ sicher nicht zufällig eine Anspielung auf die Gebäudeform ist: Die Galerie hat es sich zum Ziel gesetzt, das herausragende Zentrum der Bildenden Künste von Budapest zu werden.

Projektbeteiligte:

Entwurf:
  • Kas Oosterhuis, Ilona Lénárt, 3062 ME Rotterdam und
  • ONL Hungary Kft. (Kas Oosterhuis, Ilona Lénárt), Budapest
Statik:

Péter Markovics, MTM Kft., Budapest

Brandschutzkonzept:

Dr. Lajos Takács, Budapest

Werkplanung:
  • Standardgebäudekonstruktionen: Stúdió 100 Kft., Budapest
  • Freiform Stahlkonstruktion: Reticolo Kft., Budapest
  • Freiform Glasdach: AFC Aluminium Fassaden Consulting GmbH, Wien
Bauleitung:

Bánáti + Hártvig Architect Kft., Budapest

Montage Freiform Glasdach:

SCHAL-Tech Kft., Budaörs

Herstellung Brandschutz- und Standard Isolierglaselemente:

Orosházaglas Kft., Orosháza

Herstellung Aluminium-Sandwichpaneele:

Alufönix Kft., Székesfehérvár

Spezialglas für Brandschutzverglasungen:

PYRAN® S von SCHOTT Technical Glass Solutions, Jena

Kontakt:

SCHOTT Technical Glass Solutions GmbH
Otto-Schott-Straße 13
D-07745 Jena

T: 03641 - 68 14 666
F: 03641 - 28 88 93 11

www.schott.com

Rubrik:
Geschrieben von
Extern
Diesen Beitrag teilen auf:
Weitere Artikel aus der Rubrik:
magnifiercross